A faire Milch

Aufklärung im Almflächenstreit: Beitrag aus der aktuellen IG-MilchPost

Almbauern haben für die Futterfläche gar keine Förderung erhalten

Almbauer Johann Fuchs aus Unken hat im Umrechnungssystem zur Einheitlichen Betriebsprämie entdeckt, dass aus der zu Grunde gelegten Fläche kein Euro Förderung berechnet und ausbezahlt werden konnte.

 

SACHVERHALTSDARSTELLUNG zum Almflächenkonflikt 2005 – 2014

Von Franz Rohrmoser, Konfliktforscher

in Zusammenarbeit mit Johann Fuchs im April 2019

 

Ergebnis

Johann Fuchs aus dem Pinzgauer Unken weist nach, dass die ca. 6000 betroffenen Almbauern zu Unrecht wegen zu hoher Flächenangabe verleumdet, angeklagt und mit zum Teil hohen Rückforderungen und Geldstrafen belastet wurden, denn diese Bauern erhielten in den fraglichen Jahren für die Fläche gar kein Fördergeld.

Durch ein vorsorglich angewandtes Rechensystem wurde der Flächenbezug nur betragsneutral in die bereits vorher feststehende Fördersumme eingefügt. Somit hatte die Fläche keine Betragswirkung und die Bauern konnten gar keine unrechtmäßige Förderung erhalten.

Als 2009 die EU Österreich mit einer Strafzahlung in Höhe von ca. 64 Millionen Euro drohte, suchte man in der Panik den Schuldigen bei den Almbauern. Der damalige Landwirtschafts-minister Nicolaus Berlakovich setzte eine überfallsartige Prüfaktion bei den Almbauern in Bewegung, aus der Annahme heraus, sie hätten sich mit zu hoher Flächenangabe unrechtmäßige EU-Förderungen erschlichen. Dass dies gar nicht möglich war, beweist die folgende Untersuchung im chronologischen Ablauf. Wir gehen von der Annahme aus, dass viele technisch und politisch Verantwortliche den entscheidenden Rechnungsmodus auf der ersten Umrechnungstabelle zur Einheitlichen Betriebsprämie selbst noch nie gesehen und verstanden haben.

 

Aus Sicht der Konfliktforschung wiederholt sich hier ein schlimmer Mechanismus, den wir kennen: Wenn Führungskräfte mit einem eigenen Konflikt nicht fertig werden, suchen sie oft auf der unteren Ebene der Hierarchie einen Schuldigen. So lief es bei den Almbauern. In ihrer Unfähigkeit, die Ursache für die EU-Strafe bei sich in der Behörde zu suchen, machten sie den Almbauern zum Schuldigen, um dort das drohende Strafgeld einzutreiben. Wir brauchen Aufklärung. Es geht nun darum, den immer noch laufenden Mechanismus der Schuld-zuschiebung an die Almbauern und das Geldeintreiben von ihnen öffentlich bewusst zu machen, um diesen Unfug zu stoppen. Es geht zweitens um Wiedergutmachung an die Betroffenen. Die Politik muss die beschädigte Ehre der Almbauern wieder herstellen und ihnen das abgepresste, einbehaltene Geld aus ihren ohnehin kargen Almbauernvermögen wieder zurückgeben.

 

Meine Arbeit mit Johann Fuchs, einem mutigen Kämpfer

Johann Fuchs ist diesem Unrecht bis zurück zur Umwandlung auf die Einheitliche Betriebsprämie auf den Grund gegangen und hat im August 2011 sofort bei Radio Salzburg gegen diese Darstellung protestiert. Er schrieb viele Briefe an Presse, Politiker, Anwälte und einen Prüfantrag mit Sachverhalt an den Rechnungshof. Einen sehr persönlichen Brief schrieb er als Schützen-kollege an Ex-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, der ihm auch antwortete, die Sache an die Fachabteilung weitergeleitet zu haben. Im März 2019 traf er zusammen mit weiteren Kämpfern in Alpach die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger. Sie übergaben ihr eine Petition zum Problem Almfutterflächen. Es gibt Anzeichen aus dem Ministerium, dass man um Aufklärung bemüht ist. Fuchs ist auch in Verbindung mit den wenigen noch kämpfenden Almbauern, etwa der Plattform in Oberkärnten um Heimo Urbas, Ernst Feichter und Mitkämpfern aus dem Unabhängigen Bauernverband Salzburg, KR Stefan Weiß und KR Sepp Tiefenbacher aus Niedernsill. Fuchs und Tiefenbacher sprachen auch im Juli 2018 im Ministerium in Wien vor. Nun holt sich Hans Fuchs Hilfe bei der IG-Milch und deren Obmann Ewald Grünzweil. Dieser sagte zu mir: Franz, das ist ein Fall für dich.“ Ich weiß aus Erfahrung, wenn ich mit meinem „Werkzeug“ in das Konfliktfeld eintauche, um den Mechanismus von innen zu analysieren und erklärbar zu machen, dann bewirkt das etwas. Ich musste anfangs erst die abgekürzten Begriffe wie „ALM-FUTTERFLÄCHEN“ (AFFL) oder „EINHEITLICHE BETRIEBSPRÄMIE“ (EBP) oder „FLÄCHENZAHLUNGSANSPRUCH“ (FZA) etc. lernen, mit denen hier gearbeitet wird, um es verstehen zu können. Und Johann Fuchs sagte mir beim ersten Treffen: „So gut hat mir bisher keiner zugehört, denn Anwälte und Journalisten steigen in der Regel nach kurzer Zeit wegen Komplexheit wieder aus.“ Ich denke, am verständlichsten wird es, wenn wir die Sache chronologisch im Ablauf schildern. Ich halte mich dabei an die handschriftliche Chronologie von Johann Fuchs. Er bewirtschaftet mit seiner Frau Sieglinde, die ihn bei seiner Aufklärungsarbeit unterstützt und dem Sohn in Unken einen der rund 6000 vom Konflikt betroffenen Almbauernhöfe, die alle unter dem Problem leiden. Von ihrem Hof wurden über € 18.000,- eingezogen. Das verlorene Geld und die verletzte Ehre belasten. Seine Frau Sieglinde sagt es so: „Der Vorwurf nagt an mir (nagt an meiner Seele).“

 

Chronologie zum Almfutterflächenstreit nach Johann Fuchs 

 

Wie geht der Flächentrick: Aus der Gesamtsumme der Förderung je Betrieb wurde ein Referenzbetrag gebildet. Dieser wurde durch die bewirtschafteten Hektar dividiert und ergab somit die Zahlungsansprüche pro Hektar (FZA), deren Summe wieder die gleiche Ausgangsgesamtsumme ergab. Mit dieser Milchmädchenrechnung wurde die Flächenbeiziehung künstlich hergestellt, um der EU-Einheitlichen Betriebsprämie und Scheingerechtigkeit zu entsprechen. Das war eine Heranziehung der Fläche zum bereits feststehenden Betrag. Eine Bereicherung von Almbauern durch Angabe zu hoher Flächen im fraglichen Zeitraum 2005 bis 2014 war deshalb gar nicht möglich.

 

 

Zusammenfassendes Ergebnis des Almbauernkonfliktes

  1. Die EU-Flächenfixierung

Der Ablauf macht deutlich, dass die österreichischen Behörden wohl deutlich von der EU in Bezug auf eine Einführung des Flächenbezuges unter Druck waren. Hier kommen wir zum Kern des Problems. Für die EU-Kommission ist das Flächenmaß sozusagen „die heilige Kuh“ und sie drängt unsere Behörde zum Flächenmaß, obwohl, wie sich immer mehr herausstellt, für Waldweiden die Fläche gar nicht messbar ist. Eines ist feststellbar: Infolge von Konflikten zwischen Österreich und der EU ist die notwendige Vorbereitung der Almbauern auf die EU-Flächenbemessung verzögert und nur mangelhaft erfolgt. Auch ein Rechtsgutachten der Universität Innsbruck vom August 2013 sagt zu dieser Sache eindeutig, dass die Errichtung eines Vermessungs-systems Aufgabe der staatlichen Behörden ist und dass die Übertragung von Systemfehlern auf die Förderungswerber unzulässig ist. Das ist aber leider geschehen. Bei rechtzeitiger Feststellung der Almfutterflächen vor Einführung der EBP wäre die rechtmäßig volle Fördersumme eben auf weniger Hektar bezogen, aber dafür unstrittig ausbezahlt worden.

Der Betreiber der Tauernlamm-Genossenschaft und SPÖ Politiker Ex-Bundesrat Robert Zehentner stellt klar, dass Waldweiden gar nicht vermessbar sind. Es kommt bei jeder Messung etwas anderes heraus. Dies ist auch die Einschätzung von weiteren Experten und auch von Johann Fuchs. Laut Zehentner müsste man mit der EU aushandeln, dass für die Betriebsprämien die Almfächen nach aufgetriebenen Großvieheinheiten zugeteilt werden. Das erspart den ungeheuren Vermessungsaufwand und die Unstimmigkeiten. „Wir hoffen, dieser Vorschlag wird gehört.“ Die Tierzahl mit den dokumentierten Ohrmarken ist auf den Almen leicht prüfbar.

 

  1. Die Panik der Behörden unter Minister Berlakovich

Es tut einem direkt weh und es erfüllt einem mit Schrecken, wenn man im Verlauf sieht, wie die nervös gewordenen Behörden im Ernstfall autoritär mit alten, obrigkeitsstaatlichen Maßstäben reagieren und in der Tretmühle alle Schuld nach Unten weitergeben. Die Almbauern/Bäuerinnen waren alle wütend, was in einer großen Demonstration 2013 vor Minister Berlakovich in Fuschl zum Ausdruck kam. Alle Einsprüche blieben aber nahezu wirkungslos und es machte sich eine Resignation breit.

Das macht das Dagegenhalten von Johann und Siglinde Fuchs in Unken und einiger Freunde, eines Heimo Urbas mit Gruppe in Kärnten, die sich gegen das Unrecht auflehnen, sichtbar und spürbar notwendig. Aber auch mehrere Mitarbeiter/innen in diversen Bezirksbauernkammern sind sauer auf das System und kämpfen für die Bauern.

 

  1. Die Beschuldigung der Almbauern und die erpressten Rückzahlungen sind ein Skandal und rufen nach Entschädigung.

Wenn erhoben werden kann, dass die AMA für alle 6000 betroffenen Almbauern von 2005 bis 2014 das gleiche Umrechnungssystem angewendet hat, dann sind die Vorwürfe an die Almbauern, sie hätten sich mit zu hohen Flächenangaben höhere und unberechtigte Mehrförderungen erschlichen, als absurd zu bezeichnen, weil das gar nicht möglich war. Die erpresserische Vorgangsweise bei Rückzahlungs-forderungen war nicht nur finanziell ein Schlag ins Gesicht, sondern sie war menschenunwürdig und kriminalisierend. Dass es in diesem Zusammenhang soziale und finanzielle Familientragödien bei Almbauern gab, ist nicht verwunderlich.

Der österreichische Staat muss auf Grund dieser Abläufe und Handlungen seiner Behörden alle geschädigten Almbauern im doppelten Sinne rehabilitieren,

Das wird für die politischen Verantwortlichen eine große Herausforderung. Frau Ministerin Elisabeth Köstinger, an die seitens des Unabhängigen Bauernverbandes im März 2019 eine Petition übergeben wurde, wird eine Lösung suchen müssen.

 

Zusammenfassung von Johann Fuchs: 

 

Abschluss: Wir brauchen bei diesem Almbauernkonflikt eine Aufklärung mit Einbeziehung der Angemessenheit und Vernunft. Die Almbauern sollen die Wertschätzung der Gesellschaft spüren, wenn sie die Dachterrassen Österreichs weiter pflegen, wenn sie uns herzlich empfangen bei unseren Wanderungen, uns „a Jausen auftischen und Musik machen“. Der Satz von Bäuerin Siglinde Fuchs: “Das Unrecht nagt an mir (an meiner Seele)“ gilt bis zur Erreichung einer fairen Lösung durch die zuständigen Behörden. Das Unrecht soll sie nicht mehr ruhen lassen, so lange, bis sie ihren Beitrag zu einer fairen Lösung leisten.

 

Dieser Beitrag stammt aus unserer aktuellen Zeitschrift:

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